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Weibliche Urkraft

Autorenbild: Ina  ZindelIna Zindel

Lieber Bub


ich durfte deine Mama durch ihre Prozesse in der Schwangerschaft begleiten, was mir wundervolle Erinnerungen schenkt. Erinnerungen, die ich auch dir mit auf den Weg geben möchte:


Im ersten Drittel der Schwangerschaft begegnete ich deiner Mama, wie sie sich der neuen Situation annahm. Wie ein Samen der sich erst setzte und darauf wartete, aus dem dunkeln in das Licht zu wachsen. Auf der Suche nach der Erdung, den neuen Platz auf dieser Welt einzunehmen, damit sie bereit sein wird, auch Dich, kleines Wesen, an die Hand zu nehmen und durch die Täler und Berge zu begleiten. Ein erster Prozess, das «Frau» sein loszulassen und den Übergang des Mutterwerdens anzunehmen.


Im zweiten Drittel empfing ich deine Mama, wie sie ganz Verbunden mit Dir und der Erde die Schwangerschaft genoss. Wie ein nährender Waldboden, der seine Bäume langsam und sachte wachsen lässt. Sie hat nie das ganze Holz auf einmal verbrannt, nein, sie hat stets ein Holzstuck nach dem anderen verbrannt, so dass das Feuer nie erlosch oder ein Gefühl der Überforderung einbrach.


Im letzten Drittel begann deine Mama loszulassen. Alles begann zu fliessen. Wie eine Quelle die entspringt, das Wasser leise durch die Steine rieselt und ihre Wege sucht. Langsam wurde es eng mit Dir im Bauch und ihr wart bereit, Dich in die Welt zu gebären.


Eines Morgens kam die Botschaft, dass sie Fruchtwasser verloren habe und die Geburt tatsächlich bald losgehen werde. Am frühen Nachmittag traf ich bei deiner Mutter und deinem Vater ein, wie sie in Geborgenheit deine Wehen in Empfang nahmen. Deine Mama ganz bei sich. Tränen flossen über ihre Wangen. Wieder kam es ins fliessen. Das kleine Bächlein, dass sich in einen grossen Fluss verwandelt hat und auf dem Weg ist, in ein gigantisches Meer zu münden. Die Vorfreude waren in ihrem Gesicht zu erkennen und mit dieser Freude, nahmen die Wehen rhythmisch zu. Deine Mama spürte, dass es Zeit wird, den vorgesehenen Geburtsort anzupeilen, um in den Prozess des vollkommenen «Loslassens» zu gelangen.


Angekommen im Geburtshaus, musste zuerst etwas Organisatorisches bereinigt werden. Das vorgesehene Gebärzimmer war belegt und sie musste erst mal im Untersuchungsraum bleiben. Manchmal kommen da grösseres Geröll und Totholz in den Weg, die das fliessen behindern. Doch deine Mama, die liess sich kaum irritieren davon und suchte sich ihre Wege. Langsam, vielleicht war es auch etwas mühsam, aber sie bahnte sich IHREN und EUREN Weg frei.Für die Hebamme und mich war eigentlich klar, die Geburt könne noch länger dauern, da könnte man auch in Erwägung ziehen, erst nochmals nach Hause zu fahren. Doch deine Mama spürte, dass sie jetzt den Raum benötigte für Ruhe und Geborgenheit. Einen Ort, an dem du geboren werden willst. Und zwar bald.So entschied sie sich zu bleiben. Die Wehen nahmen rasch zu. Intensiv. Rhythmisch, Herausfordernd. Zwei Wege standen ihr offen. Sie selbst hatte es in der Hand, welchen Pfad sie weitergehen will. All die weibliche Urkraft, die sie geburtsvorbereitend immer wieder integrierte, begleitete sie durch ihren Weg. Das Tor zu Dir war nun nach wenigen Stunden vollständig eröffnet und deine Mama durfte ins Gebärzimmer, direkt in die Badewanne wechseln. Die Wehen kamen kraftvoll und zögerlich suchtest du dir deinen Weg auf die Welt. Deine Mama stand wiederholend an der Kreuzung und musste sich selber ein klares JA geben: JA, wir schaffen das! Auch dein Papa war immer dicht an eurer Seite. Mit Ruhe, Zuversicht und Vertrauen. Wie ein alter, grosser, verwurzelter Baum, der unter den Ästen und Blättern Schutz und Geborgenheit bot.


Und dann war es so weit. Der Fluss mündete im Meer. Du warst da. Der Moment. So ruhig und glückselig wie der weite Ozean!

In Liebe und Geborgenheit gebettet schlossen deine Eltern Dich in die Arme und liessen die Tränen vor Freude und Dankbarkeit fliessen.



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